Eine kurze Predigt zum Sonntag Okuli am 15. März 2020

Pastor Kai-Uwe Hecker(Lukas 9, 57-62)

von Pastor Kai-Uwe Hecker

Eben kam einer vorbei und verkündete:
„Ich will mich jetzt ein bisschen mehr um den Glauben kümmern,
also um Religion und Spirituelles und so, und
ich werde mich engagieren, und … mal öfter in die Kirche gehen.
Du kannst dir sicher denken, dass ich bisher immer eine Menge um die Ohren
hatte. Aber jetzt — nehm ich mir einfach die Zeit … für mich … und…
äh ja … für dich-natürlich!“
Jesus schaute in die Runde.
Und Jesus sagte zu ihm:
„Wahrlich, ich sage dir:
Wenn du nicht dein Handy beiseite legst, wirst du das Reich Gottes nicht sehen …“

Hat er nicht gesagt. Natürlich nicht.
Aber hätte er.
Vielleicht.
Jesus hatte ein anderes Bild vor Augen:
So eins hier vielleicht … ein pflügender Bauer.
(1985 Südindien: Aus der Vorcomputer-Zeit.
Pflügen, wie man das Jahrtausende gemacht hatte.
Und es würde mich nicht wundern, wenn man das an vielen Orten der Welt immer
noch so macht.)
Jesus sagte im Original:
„Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ | Lk 9,62

Für diesen Satz legen sich die Forscher weitestgehend fest:
Das ist original „Jesus Sound“.
Wenn man nun dies Bild anschaut, weiß man, was Jesus sagen wollte:
Wenn du dich bei dieser Arbeit nicht konzentrierst, wirst du
schiefe Furchen ziehen, oder erst gar nichts zustande bringen.
Du darfst nicht abgelenkt sein.
Du musst es schon richtig machen.
In den Szenen, die im Evangelium nach Lukas (Kapitel 9) um diesen Satz herum
geschildert werden, geht es immer um einen Neuanfang, nach dem Motto: Ich
werde jetzt ein bisschen mehr … mein Leben verändern.
Immer geht es um den ersten Schritt hinein in ein Leben, das vom Reich Gottes
inspiriert, motiviert, durchdrungen und getragen ist.
Alles ist auf das Reich Gottes ausgerichtet.
Wenn sich einer aufmacht und bereit ist, sein Leben zu ändern, und Jesus
nachfolgen will, dann ist mit ziemlicher Sicherheit seine Welt nicht mehr dieselbe.
Es bleibt eine alte Welt hinter der neuen zurück.
Jesus nachfolgen kann dazu führen, dass alte Verbindungen, lieb gewordene
Gewohnheiten, eingefahrene Muster nicht mehr passen.
Es kann dazu führen, dass ich tatsächlich meine Ansichten und Einsichten ändere.
Was mir früher gefallen hat, interessiert mich nicht mehr.
Was ich abgelehnt habe, tue ich jetzt selbst.
Der Apostel Paulus hat das drastisch beschrieben: (Phil 3,7-8): Was mir Gewinn war,
das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet. Ja, ich erachte es … für Dreck,

So heftig muss es ja nicht immer sein.
Aber die Haltung zu Menschen und Fragen des Lebens wird sich schon verändern
… Und dann, wie gesagt, fühle ich mich unter alten Freunden auf einmal vielleicht
fremd. Und dann bleibt eine Frage:
Lohnt sich das alles für etwas, was Jesus hier das Reich Gottes nennt?
Reich Gottes, was ist das nun eigentlich?
Zeitlose Präsenz
Einer Gruppe von fundamentalistisch religiösen Leuten, die nach dem Zeitpunkt
des Tages Gottes (und damit vielleicht nach so einer Art Endabrechnung) fragten,
sagte Jesus einmal:
»Das Reich Gottes kommt nicht so,
dass man es an äußeren Anzeichen erkennen kann.
21 Man wird auch nicht sagen:
›Schau her, hier ist es!‹
Oder: ›Dort ist es!‹
Denn seht doch:
Das Reich Gottes ist schon da –
mitten unter euch.« (Lukas 17)
Vertrauen und Geschenk
In der letzten Woche durften wir in unsere Kirche einen dreijährigen Jungen
taufen. In jeder Minute wurde deutlich, welch ein unbegrenztes Vertrauen kleine
Kinder in ihre Eltern und alle bekannten Menschen haben.
Jesus stellte solches Vertrauen als Vorbild vor seine Schüler:
„Wer sich das Reich Gottes nicht
wie ein Kind schenken lässt,
wird nie hineinkommen.“
(Lukas 18,17)
Feier und Freude
Für die Gemeinschaft von Gott und Mensch malt Jesus gerne das Bild einer großen
Hochzeitsfeier. (Matthäus 22,2) „Und der Hochzeitssaal war voll mit Gästen“… Und
Jesus scheint selber sehr gerne gefeiert und getrunken zu haben. (Lukas 7,34 oder
Johannes 2)
Es sieht also eher so aus, als wäre das Reich Gottes weniger ein besonderer Ort
oder Raum, wo man rein und raus gehen kann, als vielmehr ein Lebensgefühl.
Ein Bewusstseins-Zustand in der Gegenwart Gottes. Ein Ereignis. Ein Augenblick,
oder auch mehrere, wo ich – oft erst im Nachhinein- merke: So ist es gut. Was hier
passiert, ist echt, ist stimmig.
Also macht es also schon Sinn, wenn Jesus sagt:
„Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück,
der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“
Vielleicht könnte in diesem Sinne sogar eine Zwangspause, die vielen von uns die
Corona-Krise auferlegt, hilfreich sein: Indem wir die „geschenkte“ Zeit nutzen und
fragen:
Was ist eigentlich wirklich wichtig, hilfreich, sinnvoll, wertvoll für das es sich lohnt
zu leben? — Krise kommt von dem griechischen Wort „fragen“ …
Vielleicht muss man erst alle Ablenkung beiseite legen, um zu erkennen, wo das
Lebensschiff wirklich hinsteuert.
Und vielleicht lässt sich das Reich Gottes ja gleich „um die Ecke“ finden?
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus.

GEBET
Du sollst Dich selbst unterbrechen.
Zwischen Arbeiten und Konsumieren — soll Stille sein und Freude,
zwischen Aufräumen und Vorbereiten — sollst du es in Dir singen hören,
Gottes altes Lied von den sechs Tagen — und dem einen, der anders ist.
Zwischen Wegschaffen und Vorplanen — sollst Du Dich erinnern
an diesen ersten Morgen,
Deinen und aller Anfang, als die Sonne aufging ohne Zweck
und Du nicht berechnet wurdest in der Zeit, die
niemandem gehört außer dem Ewigen. (Dorothee Sölle)