Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist, der da war und
der da kommt. Amen.
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Mit dem Stück Bibel, das wir heute betrachten sollen, kommen wir in eine ganz alte Zeit, vielleicht 3200 Jahre zurück. Wir blicken auf umherirrende, geflüchtete Sklaven irgendwo auf der wüsten Sinai-Halbinsel und sehen sie im Überlebenskampf auf der Suche nach dem gelobten Land.
Frauen, Kinder, junge, alte Männer, ein wenig Kleinvieh, vielleicht. Sehr arm.
Hunderte, Tausende, nicht viel mehr, aber immerhin. Sehr arm.
Es ist ein Dokument erhalten. Der Kommandant einer ägyptischen Festung am Rande der Wüste, vermeldete an seinen Vorgesetzten, dass Hebräer (hapiru) in mehreren Haufen die Grenze passiert hätten. Hebräer — nannte man Menschen ohne Rang und Rechte und Pass, nützlich und billig zum Arbeiten, ähnlich heute vielleicht Philippinos in den Emiraten und schwarzarbeitende Bulgarinnen in deutschen Haushalten oder illegale Afrikaner auf spanischen Gemüseplantagen. Tadschiken …
Der Impuls zum Aufbruch, zum Ausbruch kam durch einen Mann.
Er kam aus der Wüste und war plötzlich da.
Sein Name, Mose, wies auf eine vornehme, vielleicht ägyptische Herkunft hin:
Er hielt sich darüber bedeckt.
Es war ihm gelungen, in ihnen eine Hoffnung zu entfachen.
Es war ihm gelungen die verschiedenen Menschen, die bisher nur aufs individuelle Überleben getaktet waren, hinter sich zu bringen und Einigkeit untereinander zu erzielen.
Es war ihm gelungen, das bisschen an Mut dieser Menschen so zu bündeln, dass sie sich auf einen ungewissen Weg nach draußen wagten.
Am Ende wartete das „gelobte Land“. Gott hat es gesagt.
Es war ihm gelungen, Ihnen ihren alten Glauben zurück zu geben.
Von einem Tag auf den anderen brachen sie also alle auf.
Eine ägyptische Eliteeinheit konnte sie nicht aufhalten.
Der Jubel/ die Euphorie hielten nicht lange.
Die Ägypter entwickelten die offizielle Sprachregelung:
Sie werden in der Wüste verrecken!
Na dann …
so konnte bis dahin jeder überlebte Tag als Wunder gelten.
Sie waren schon sehr weit gekommen.
Aber es war nicht alles gut.
Es war eigentlich fast nichts gut.
Immer wieder Depression:
Glaube macht nicht satt. Gott gibt es nicht. Oder anders.
Mose ist ein Scharlatan.
Hinter vorgehaltener Hand Zweifel. Murren.
Wenn man selber keinen Plan hat, murrt man.
Nummeri / 4. Buch Mose 21
4 Dann zogen sie weiter vom Berg Hor auf dem Weg zum Schilfmeer, um das Land Edom zu umgehen. Auf dem Weg aber wurde das Volk ungeduldig.
5 Und das Volk redete gegen Gott und Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten heraufgeführt? Damit wir in der Wüste sterben? Denn es gibt kein Brot und kein Wasser, und es ekelt uns vor der elenden Speise.
(Gemeint war ein süßes Zeug, das sie von ein paar Pflanzen absammeln konnten, genannt: Manna… Was sie immerhin ernährte…)
6 Da sandte der HERR die Saraf(Feuer=)schlangen gegen das Volk, und sie bissen das Volk, und viel Volk aus Israel starb.
7 Da kam das Volk zu Mose, und sie sprachen:
Wir haben gesündigt, dass wir gegen den HERRN und
gegen dich geredet haben.
Bete zum HERRN, damit er uns von den Schlangen befreit.
Und Mose betete für das Volk.
8 Und der HERR sprach zu Mose: Mache dir einen Saraf und befestige ihn an einer Stange. Und jeder, der gebissen wurde und ihn ansieht, wird am Leben bleiben.
9 Da machte Mose eine bronzene Schlange und befestigte sie an einer Stange. Wenn nun die Schlangen jemanden gebissen hatten, so blickte er auf zu der Bronzeschlange und blieb am Leben.
Soweit die Geschichte.
Religion kann manchmal sehr, sehr seltsam sein. Religion tickt … anders.
Zuerst klingt die Geschichte noch plausibel, vielleicht abenteuerlich, aber nachvollziehbar. Und plötzlich driftet die Geschichte ab und verlässt die Gefilde des durchschnittlichen Menschen- und Sachverstandes.
9 Da machte Mose eine bronzene Schlange und befestigte sie an einer Stange. Wenn nun die Schlangen jemanden gebissen hatten, so blickte er auf zu der Bronzeschlange und blieb am Leben.
Viele von uns sagen an dieser Stelle: Vergiss es. Es ist doch alles Quatsch!
Was — soll — das?
Ist das zu verstehen? —
Wir wechseln die Szene und den Kontinent:
Ich habe als junger Mann ein sehr prägendes Halb-Jahr meiner Ausbildung in Südindien verbracht.
Ein alter Missionar sagte damals: wenn du in Indien warst, dann gibt es eigentlich nichts an Religion, was dich noch verwundern kann.
Ich fand, er hatte Recht.
In der Nähe unseres Colleges in Bangalore gab es eine Verkehrsinsel.
Und auf dieser Verkehrsinsel stand ein Termitenhügel. Und dieser Termitenhügel; ca. 1m hoch aus Lehm war über und über mit rotem Farbpulver überschüttet und mit dünnen Bindfäden umwickelt.
Ein fettiger Glanz zeigte an, dass man wahrscheinlich auch Fett und Butter drauf gestrichen hatte.
Ich war neu und fragte, was das soll, und sie sagten mir:
In diesem Termitenhügel haust eine Cobra.
Eine Kobra, eine der gefährlichsten und giftigsten Schlangen der Welt?
Sie sagten: Wir nennen sie hier „the good snake“ = die gute Schlange.
Wieso das denn? Sie sagten: sie frisst Ratten und sie ist relativ gutmütig, … … … wenn sie sich nicht bedroht fühlt.
Wenn du allerdings gebissen wirst, hast du nicht soo-viele Chancen …
Ich fand, diese Leute hatten ein sehr entspanntes Verhältnis zum Jenseits…
Ja, und was hat es mit dieser Schlange hier nun auf sich?
Ja, sie ist ein heiliges Tier.
Wieso ist sie ein heiliges Tier?
Sie sagten: Für Hindus erscheint Gott in dieser Schlange. Wenn man sie gut behandelt, dann schenkt sie z.B. Fruchtbarkeit… Ah ja.
Deshalb das Farbpulver und die Butter: Gaben an Gott.
Ah ja, bedeutete allerdings auch:
Das ist nicht meine Geschichte.
Ich glaube nicht, dass Gott sich in Schlangen manifestiert …
Halt, Stopp …
Und dies damals in der Wüste?
Das war doch ganz anders! Sie hatten die Schlangen als Strafe interpretiert.
Ja, aber es war doch eben Gott, der sich in den Phänomenen … versteckt … und zeigt? Richtig?
Es gehörte allerdings ein Wort, eine Botschaft dazu.
Eine Deutung, eine Erklärung.
Ich gehe nochmal in die alte israelitische Geschichte:
Sie sagten damals: die Schlangen sind die Reaktion Gottes auf ihr Murren, auf ihre Undankbarkeit. Das tat ihnen jetzt leid. Klar.
Und sie wandten sich an ihren Führer Mose als Vermittler:
Bete du zu Gott, dass das aufhört!
Ich erlebe immer wieder Menschen, die Zeit ihres Lebens möglicherweise völlig areligiös waren, die kommen und sind ganz bewegt, wenn man für sie betet, oder sie bitten sogar darum:
Mir geht es schlecht, ich bin in Not!
Es scheint (immer noch) eine ganz natürliche Reaktion zu sein, sich an Gott zu wenden. – Es ist nichts dagegen einzuwenden.
Gut, wenn man das noch kennt!
Bete du zu Gott, dass das aufhört!
Bete zum HERRN, damit er uns von den Schlangen befreit.
Und Mose betete für das Volk.
Ohne Wenn und Aber. Ohne Verzug.
Ohne Kleinlichkeit: Ach siehst‘e, jetzt kommt ihr an … Nichts.
Und Mose betete für das Volk.
Und auch Gott reagiert, ohne Verzug.
Aber seltsam wird es jetzt:
8 Und der HERR sprach zu Mose: Mache dir einen Saraf und befestige ihn an einer Stange. Und jeder, der gebissen wurde und ihn ansieht, wird am Leben bleiben.
Und wir hören, dass das funktioniert.
Eine Bronzeschlange an einer Stange.
Ich glaube, es bringt nichts, zu fragen: wieso?
Es bringt auch nichts, irgendwie rauskriegen zu wollen, wie das funktioniert.
Und sich über das Ritual zu amüsieren wäre genauso schlau, wie sich darüber lustig zu machen, dass jemand einen eigenartigen Hut aufhat.
Aber es lohnt sich ein paar Dinge zu betrachten und beachten:
1. Diese Gebetserhörung ist nicht einfach so. Diese Feuerschlangen verschwinden nicht einfach. Die Botschaft ist die: Du musst/ihr müsst a. etwas tun; ihr müsst euch b. an das Ritual halten, das Mose bereitstellt. Die Plage wird bleiben, aber sie tötet euch nicht, wenn ihr euch an das Ritual haltet.
Da steckt Lebensweisheit drin.
Das darf man protestantisch fast gar nicht sagen, aber es stimmt trotzdem:
du musst an deinem Heil / an deiner Heilung mitwirken, du musst es wollen.
2. Und du musst genauso mitwirken, wie Gott es aufträgt.
Dh. du kannst deinen Glauben nicht selber basteln.
Ich kenne bis zum Überdruss diese Sprüche nach dem Motto:
Herr Pastor, ich gehe nicht in die Kirche, aber ich hab meinen Glauben und der Engel unter meinem Kopfkissen schenkt mir einen geruhsamen Schlaf…
Frage: Ist es genau das, was Gott von dir will? Glauben ohne Gemeinschaft/Kirche? Weißt du das?
Betest du? Und wenn du betest, was willst du dann?
Kannst du / willst du hören, was Gott von dir will?
Ich sagte schon: Hinter diesen verordneten, manchmal seltsamen, Ritualen steckt eine Lebensweisheit.
Wir brauchen auch für unseren Glauben immer etwas zum Sehen und Anfassen. Ich ahne etwas: Alle, die z.B. über unsere katholischen Schwestern und Brüder herumlästern wegen der vielen Rituale im Gottesdienst und Wallfahrten und sonstwas, könnten möglicherweise sehr neidisch sein. Neidisch nämlich über die Gewissheit die darin steckt, Gott an einem genau definierten Ort anzutreffen; weil Gott sich mit den Dingen und Orten verbunden hat.
Aberglauben? Ich weiß, man kann sehr kritisch sein.
Aber ich denke, es sollte eher gelten: wer heilt hat recht! Oder?
Wie in der alten Geschichte:
9 Da machte Mose eine bronzene Schlange und befestigte sie an einer Stange. Wenn nun die Schlangen jemanden gebissen hatten, so blickte er auf zu der Bronzeschlange und blieb am Leben.
Und wenn es so war?
Ein Ausblick:
Jesus, 1200 Jahre später, nimmt dieses uralte seltsame Bild von Moses mit der Schlange auf … und deutet es um:
Johannes 3:14
Und wie Mose in der Wüste eine Schlange erhöht hat, also muss des Menschen Sohn erhöht werden, damit alle, die an ihn glauben ewiges Leben bekommen.
Schaut auf mich … sagt er. Vielleicht denkt er schon an das Kreuz, an dem man ihn einst gehängt haben wird.
Aber schaut auf mich, dann werdet ihr Heilung finden für euer Leben. Ewig.
Dies ist keine alte Geschichte mehr, sondern die gilt immer noch.
AMEN