19. März 2017 | Predigt von Pastor Kai-Uwe Hecker in St. Michael Stelle
Liebe Gemeinde,
Evangelium, Predigttext für den heutigen Sonntag:
Aus Markus 12:
41 Jesus setzte sich in die Nähe des Opferkastens und
sah zu, wie die Leute Geld hineinwarfen.
Viele Reiche gaben große Summen.
42 Doch dann kam eine arme Witwe und
warf zwei kleine Kupfermünzen hinein
(das entspricht ´etwa` 10 Cent).
43 Da rief Jesus seine Jünger zu sich und sagte:
»Ich versichere euch:
Diese arme Witwe hat mehr in den Opferkasten gelegt als alle anderen.
44 Sie alle haben von ihrem Überfluss gegeben;
diese Frau aber, so arm sie ist, hat alles gegeben,
was sie besaß – alles,
was sie zum Leben nötig hatte.«
—
OK – sprechen wir also mal über Geld.
O Gott!
Warum sage ich das?
Fragen Sie mal in Deutschland jemanden nach seinem Einkommen …
Das kommt ungefähr so an, als hätten Sie gefragt:
Hatten Sie heute schon Sex?
Aber es kommt noch schlimmer
mit dieser Geschichte,
mit der Frage, die in und mit dieser Geschichte gestellt ist:
Was gibst du für Gott?
Wieviel genau?
Was hast du für Gott übrig?
Was hast du für Gott übrig?
Was hast du für Gott übrig?
Gibt es hier eine arme Witwe? ||
Nein, Sie brauchen sich jetzt nicht zu melden …
Ein Kollege pflegte diese Frage zu stellen, wenn es im Gottesdienst daran ging, die Kollekte einzusammeln.
Er stellte die Frage, weil er genau wusste, dass die meisten seiner „Schäfchen“ diese Geschichte vom Opfer der armen Witwe kannten.
Und er wusste genauer, als er ahnte, dass sie
von dieser Geschichte
eigentlich
nur ein einziges Detail verinnerlicht hatten:
Nämlich:
Gott freut sich auch über Kupfer.
Selektive Auslegung mit eindeutiger Tendenz:
Die Kollekte wird eingesammelt, der Klingelbeutel geht rum.
„Alles klar.
Lass mal gucken, was sich vorne im Portemonnaie abgelagert hat…
Die Kirche muss sich über alles freuen, steht doch schon in der Bibel!“
Ich will ja gar nicht groß kommentieren, was wir schon alles in unseren Kollektenbeuteln gefunden haben: Rubel, Pennys, Plastikchips für den Einkaufswagen und eine Peepshow Münze …
Was würde Jesus dazu sagen?
44 Sie alle haben von ihrem Überfluss gegeben;
diese … aber, so arm wie sie waren, haben alles gegeben,
was sie besaßen – alles,
was sie zum Leben nötig hatten.«
… also … den letzten Rubel, den letzten Penny, den letzten Einkaufschip, …?
Ich lande auf Heute-Show Niveau …
Versuchen wir doch mal zu dem Kern dieser Geschichte vorzudringen:
was wollte Jesus sagen?
Aber können und wollen wir überhaupt zum Kern vordringen?
Wollen wir das wirklich wissen?
Vor einer Antwort liegen nämlich zwei Voraussetzungen, die für Jesus selbstverständlich gelten, … und die uns eigentlich erschrecken lassen müssen:
1. Geld ist Leben.
2. Geld für die Kirche ist Geld für Gott.
… sagt Jesus
… und wir normalerweise nicht — oder?
Schauen wir mal:
zu 1. Was ist Geld?
Jesus sieht die Frau, die Witwe und sagt: Alles. Alles, ihren ganzen Lebensunterhalt, ihre ganze Existenz packt diese arme Witwe in den Kasten. Nun hatte sie nichts mehr.
Eigentlich war ihr Leben aus. Ganz ohne Geld. Ihr letztes Geld.
Geld ist Macht.
Geld ist Möglichkeit.
„Wissen Sie, ich bezahle so viel Kirchensteuer, ich könnte einen Pastor ganz für mich allein kaufen…“ sagte mir mal ein Vater, der sich darüber aufregte, dass sein Sohn – sein Sohn! -mit auf eine Konfirmandenfreizeit fahren sollte…
Er gehörte offenbar zu den Reichen, die glauben, dass sie sich mit ihrem Reichtum von den allgemeinen Regeln der anderen freikaufen könnten … Geld ist Macht.
Sie erwarten jetzt vielleicht, dass ich mit Freude erzähle, dass der Sohn trotzdem mitkam; aber, glauben Sie mir: so einfach ist das in Wirklichkeit nicht, wenn man von einem Reichen erpresst wird …!
Geld ist Macht.
Geld kauft Recht, machen wir uns doch nichts vor!
Ist Geld unanständig?
Nein, das nicht, aber Geld gibt auch der Unanständigkeit Macht.
Geld … macht so ein rutschiges Gefälle in die Korruption.
Geld ist gefährlich.
Wie alles, was mächtig ist.
Jesus sagt nicht, das geht nicht. Du darfst Geld nicht anfassen.
Nein, du musst sogar Geld anfassen.
Aber es könnte schnell selbst die Initiative übernehmen. Das Geld.
Pass auf, was es mit dir macht.
Bist du noch frei; bist du noch mächtig oder ist das Geld mächtig über dir?
Übermächtig?
So gesehen, war die arme Witwe eine der mächtigsten Frauen der Welt.
Und eine der gläubigsten, aber davon gleich noch mehr.
Jesus sagt einfach: so ist es. Punkt.
Er sagt übrigens nicht:
so, wie diese Witwe müsst ihr das alle machen.
Ihr müsst nicht alles geben; aber sie hat es getan.
Was hat sie denn genau getan?
Und jetzt kommt der Satz, für den mich wahrscheinlich viele Leute am liebsten mit Eiern bewerfen wollten:
2. Geld für die Kirche ist Geld für Gott.
Glaube ich das echt?
Ich möchte mal erklären, wie Jesus das wahrscheinlich gesehen hat:
Dieser Kasten, in den all die Leute ihr Geld am Tempel warfen, war nicht explizit nur für die mildtätige Hilfe an die Armen bestimmt, sondern auch für schlicht und einfach für die Aufrechterhaltung des Tempelbetriebes, für den Kult, für den Gottesdienst, für die Diener und Priester usw.
Kirchensteuer, wenn Sie so wollen.
Ich möchte darauf hinweisen, was Jesus nicht gemacht hat:
Er hat nicht die Institution hinterfragt.
Der Tempel war der Ort, wo Gott wohnte. Punkt.
Für Jesus wohnte Gott an vielen Stellen, aber wenn einem Gott mal abhanden gekommen war, was ja im Leben vorkommt, dann war der Tempel, der Gottesdienst der Ort, wo man Gott mit Sicherheit treffen konnte.
Es kam auch überhaupt nicht drauf an, ob nun die Priesterschaft unwürdig oder korrupt oder gierig oder sonstwas war. Das war ärgerlich, Jesus prangerte das auch an, aber er hätte nie in Betracht gezogen, dass damit der Gottesdienst, die Liturgie, das Gebet sinnlos und ungültig geworden wäre. Denn der Gottesdienst ist eine Veranstaltung Gottes, und
nicht die der Institution.
Menschen und Institutionen dienen, sie sind beteiligt am Gottesdienst;
aber Gott ist souverän.
Und deshalb gehört das Geld im Kasten Gott.
Und alle Schönheit und alle Bemühung und alles Opfer und alle unsere Zeit gehört Gott. Alles.
Es ist sozusagen die äußerliche Gestalt und Manifestation des, was innen ist.
Und innen und außen hätte Jesus nicht getrennt.
Wenn Leute heute aus der Kirche austreten und man sie darauf mal ansprechen kann, dann kommt es immer wieder zu einer stereotypen Antwort; wir kennen die alle:
Wissen Sie, ich bin nur wegen des Geldes ausgetreten; meinen Glauben habe ich aber nicht verloren…
Was würde Jesus dazu sagen, genau dieser Jesus, der damals da vor dem Kasten des Tempels saß und die Einwürfe betrachtete?
Ich denke Jesus würde eine scharfe Frage stellen:
„Glaubst du wirklich, dass du glaubst?
Für mich sieht das aus, wie eiskalte Berechnung.
In Wirklichkeit spekulierst Du, gibst eine Wette ab auf die Gnade Gottes.
Du denkst: im Zweifelsfalle wird Gott schon darüber hinwegsehen, dass ich ihm nicht einmal ein Bruchteil von dem, was er mir gegeben hat, zurückbringe.
Du spekulierst.
Du berechnest.“
Würde Jesus sagen.
Du berechnest, du begegnest Gott auf der Ebene eines Spekulanten und hoffst aber andererseits darauf, dass Gott dir auf der Ebene gerade nicht begegnet, du hoffst, dass du selber nicht berechnet wirst.
Und das nennst du Glauben? Vertrauen?
Kommen wir noch einmal auf die arme Witwe.
Ihr ganzes Leben hat sie in den Kasten geworfen, kann Jesus sagen.
Das ist Vertrauen.
Nocheinmal:
Er sagt nicht: das müsst ihr jetzt alle so machen.
Er sagt nur: Schaut Euch das an.
Was für ein großartiges, großmütiges, freies Bild.
Die anderen geben aus ihrer Fülle.
Auch gut. Sehr gut.
Aber die arme Witwe ist zu bewundern.
Ich glaube, er ist sich sicher, dass Gott sie nicht vergessen wird.
Ganz bestimmt.
„Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt um meinetwillen und um des Evangeliums willen,
30 der nicht hundertfach empfange: jetzt in dieser Zeit Häuser und Brüder und Schwestern und Mütter und Kinder und Äcker mitten unter Verfolgungen – und in der kommenden Welt das ewige Leben.“ sagt Jesus im vorigen Kapitel.
Aber hier seht ihr einmal etwas ohne Berechnung.
Hier seht ihr die großartige Freiheit der Kinder Gottes.
Und diese Freiheit kann gelebt werden in, mitten, unter allen Dingen.
Himmel und Erde,
Glaube und Materie,
Glaube und Politik,
Glaube und Geld
sind nicht zu trennen.
Lasst euch stärken im Glauben.
Ihr seid berufen, das wirkliche, sinnvolle, gesegnete Leben in, mitten und unter allen Dingen zu finden. Mitten im Alltag. Für immer.
AMEN